Am gestrigen Sonntag fand in Ober-Roden das Finale des U18 Hessenjugendpokal Süd statt. Das Team aus Ober-Roden hatte sich über zwei Spieltage und einem Qualifikationsturnier souverän für dieses Finalturnier qualifiziert. Leider war das Finalturnier ungünstig terminiert. Julie die seit einem Jahr regelmäßig bei Damen 1 sowie Damen 2 im Training mitmacht, war mit der Schule Skifahren und fehlte dem Team als wichtige Stammspielerin. Die Hoffnung auf eine gute Platzierung wurden eine Woche vor Turnierbeginn weiter reduziert. Nadja verletzte sich an Ihrer Schlaghand und trug ab sofort eine Gipsschiene. Somit fehlte eine weitere Stammspielerin die vor allem bei Aufschlag und Annahme Ihre Qualitäten hat. Es brauchte nach Plan B nun kurzfristig Plan C um beide Spielerinnen zu ersetzen. In den letzten Trainingseinheiten wurde das restliche Team optimal auf den Finaltag vorbereitet. So startete man mit zwei Stammspielerinnen weniger, aber dennoch einem guten Selbstbewusstsein ins Turnier. Das gut 10 Stunden später die Silbermedaille erspielt wird, hätten zu diesem Zeitpunkt nur die größten Optimisten geglaubt.

Um 9:30Uhr stand das gesamte Team in der Halle. Auch Nadja kam mit Gipsschiene dazu um das Team mental und von der Bank aus zu unterstützen. Trainer Alex hatte Sie trotz Verletzung nicht von der Mannschaftsliste gestrichen. Für den Fall der Fälle, das doch Wunder geschehen, sollte Sie auch eine Medaille bekommen. Ober-Roden war Ausrichter, daher mussten von den Mädels erstmal drei Felder aufgebaut werden. Pünktlich um 10 Uhr war alles vorbereitet und die Halle füllte sich mit den Gastmannschaften sowie einigen mitgereisten Eltern. In zwei Vierergruppen wurde jeder gegen jeden gespielt. Platz eins und zwei kamen ins Halbfinale, darauf folgte das Finale. So die nüchternen Fakten für ein Volleyballmärchen was Hollywood nicht besser inszenieren könnte…

Spiel eins ging gegen die Mädels von SG Rodheim. Ober-Roden kam gut ins Spiel und gewann Satz eins relativ schnell mit 25:12. Dieser lockere Satzgewinn war für den Start des zweiten Satzes leider nicht förderlich. Ober-Roden verlor etwas den Fokus und es kam zu vielen unnötigen Eigenfehlern. Zwischenzeitlich lag man mit sechs Punkten zurück, doch das Team fand rechtzeitig zurück ins Spiel und Satz 2 wurde mit 25:22 gewonnen.

Nach diesem Sieg hatte irgendein Drehbuchautor seine Finger im Spiel. Nadja stand plötzlich ohne Gipsschiene neben Trainer Alex und sagte das Sie mitspielen will und das OK vom Trainer möchte. Sie möchte nach Hause fahren und und Ihre Sportsachen holen. Als Trainer hat man neben allen sportlichen Zielen vor allem auch Pflichten. Dazu gehört, Spielerinnen die verletzt sind nicht einzusetzen. Es gab also eine Absage. Das wollte Nadja nicht auf sich sitzen lassen. Sie meinte Sie hätte keine Schmerzen mehr, es wäre die Woche Pause eingehalten die der Arzt forderte und es sei auch nichts gebrochen gewesen, sondern nur stark geprellt. Der Arztbrief könne dies bestätigen. Also gut, wenn dem wirklich so ist dann soll es so sein. Die Mutter hat zugestimmt, Nadja möchte spielen, dann soll sie heimfahren und den Arztbrief mitbringen…

Spiel zwei ging gegen SC Königstein. Königstein kannte man schon aus den vorherigen Spieltagen. Ein klarer Sieg wurde beim Qualifikationsturnier erreicht und auch heute sollte, mit einer etwas veränderten Mannschaft, ein Sieg her, um einen guten Schritt in Richtung Halbfinale zu machen. Leider hatte Königstein aufgerüstet und ein deutlich stärkeres Team dabei als beim Qualifikationsturnier. Die ersten Ballwechsel zeigten direkt das Königstein das stärkere Team war. Zudem hatten die Mädels von Ober-Roden wieder mit unnötig vielen Eigenfehlern zu kämpfen. Schnell konnte sich Königstein auf 14:7 absetzen.

Mittlerweile war Nadja wieder in der Halle angekommen. Umgezogen und mit dem Arztbrief der Ihre Aussage bestätigte, stand sie vorm Trainer. Also Spielerwechsel mit der klaren Ansage Nadja soll langsam machen und erstmal schauen ob die Hand schmerzt wenn sie den Ball spielt. Nadja hielt sich an die Abmachung und sie konnte tatsächlich schmerzfrei spielen. Der Satz war dennoch nicht mehr zu drehen und ging deutlich mit 25:11 an Königstein. Satz zwei startete Ober-Roden mit neuer Startaufstellung. Nadja durfte direkt von Beginn an ran. Das tat dem Spiel der Mädels gut. Sie kamen besser ins Spiel und es entwickelte sich ab jetzt ein Duell auf Augenhöhe. Ober-Roden war stets zwei Punkte vorne und so gewann man den Satz mit 25:23. Der Tiebreak musste die Entscheidung bringen. Ober-Roden waren von nun an hoch motiviert das Spiel zu gewinnen. Sie dominierten auf einmal das Spielgeschehen. Mit guten Angaben und mit der lautstarken Unterstützung von der Tribüne, setzten sie sich auf 8:3 ab und kamen über 13:5 zum verdienten 15:6 Spielgewinn.

Zwei Spiele, zwei Siege, so die Bilanz aus den ersten beiden Gruppenspielen. Gegner im Spiel drei war TG Hanau, die mit der selben Bilanz in das letzte Gruppenspiel kamen. Es ging also um Platz 1 in der Gruppe. Die Gegner im Halbfinale waren auch schon klar. Gewinnt man, spielt man gegen Griesheim, verliert man, spielt man gegen den Turnierfavoriten aus Bommersheim. Griesheim kannte man schon aus den vorherigen Spieltagen. Es waren immer enge Spiele und die Bilanz war bis zu diesem Tag 2:1 für Griesheim. Dies wollten die Mädels heute ändern. Somit war klar, ein Sieg gegen Hanau ist Pflicht. Es entwickelte sich ein ausgeglichenes Spiel bei dem keine Mannschaft sich klar absetzen konnte. In Satz 1 hatte Ober-Roden mit 25:21 das bessere Ende für sich und Satz zwei, wie sollte es anders sein, ging mit 25:19 an die Gäste aus Hanau. Der Tiebreak musste wieder mal her. Trainer Alex motivierte sein Team. Ein weiteres Match gegen die Mädels aus Griesheim könne es nur geben, wenn man hier und jetzt Hanau besiegt. „Jetzt oder nie!“ war das Motto für den nächsten Satz und dieses Motto sollte Flügel verleihen. Hanau hatte keinerlei Chancen mehr. Seitenwechsel bei 8:2 und Endstand 15:2. Nie wurden vom Trainer diese Saison wohl bessere Worte der Motivation gefunden als in diesem Moment.

Die Freude war riesig, aber es wurde grade mal das Halbfinale erreicht. Platz vier war sicher. Doch die Mädels wollten natürlich mehr. Ein Sieg gegen Griesheim sollte her um das Finale zu erreichen und eine Medaille sicher zu haben. In Ober-Roden hatte es sich mittlerweile rumgesprochen das die Mädels im Halbfinale waren. Pünktlich zum Anpfiff kamen nochmal ein paar zusätzliche Fans inklusive einer vollen Kiste Klatschpappen die ordentlich Krach machten.

Die Motivationsansprache vom Trainer war diesmal ziemlich einfach. Zwei mal ging man als Verlierer vom Platz und einmal als Sieger. Doch die Vergangenheit ist im Sport nichts wert, sondern nur der Moment. Das hier und jetzt. Was nutzt eine positive Statistik wenn man dann, im entscheidenden Halbfinale, verliert. Griesheim hat ohne Frage die stärkeren Einzelspielerinnnen, doch ist man dann auch das stärkere Team? Schon oft hat der vermeintlich schwächere den stärkeren geärgert. Weil Leidenschaft, Einsatzbereitschaft, Motivation, Siegeswille und das Wir-Gefühl einfach in diesem Moment der entscheidenden Faktor waren. Außerdem hatte man ein Heimspiel. Was beim Fußball der zwölfte Mann ist, ist beim Volleyball der siebte, beziehungsweise bei den U18 Mädels die siebte Frau.

Das Spiel startete ausgeglichen. Keine der Mannschaften konnte sich am Anfang absetzen. Beide Teams verhauten direkt nach gewonnenem Aufschlagsrecht die ein oder andere Angabe. Zur Mitte des ersten Satzes konnte Griesheim einen kleinen Vorsprung herausspielen, sodass bei 8:13 die erste Auszeit von Ober-Roden genommen wurde. Danach kamen die Mädels vom VCOR wieder besser ins Spiel. Mit der lautstarken Unterstützung des Publikums kämpfte man sich Punkt für Punkt heran. Bei 17:17 war Griesheim endlich eingeholt und mit 19:17 wenig später überholt. Doch Griesheim gab nicht auf und wehrte beim Stande von 23:24 gegen sich den ersten Satzball ab. In dieser Entscheidenden Phase machten beide Teams viele Aufschlagfehler, was sicher auch der Nervosität geschuldet war. Auch den nächsten Satzball gegen sich konnte Griesheim abwehren und hatte wenig später bei 26:25 selbst Satzball. Diesmal wehrte Ober-Roden den Satzball ab und erspielte sich eine erneute Führung zum 27:26. Jetzt sollte es reichen und Ober-Roden holte sich den letzten Punkt und somit Satz 1.

Die Tribüne und die Mädels feierten den Satzgewinn lautstark. Doch dieser eine Satz ist nichts Wert, wenn kein zweiter folgen würde, holte Trainer Alex sein Team direkt wieder auf den Boden der Wirklichkeit zurück. Mit neu kreiertem Schlachtruf heizte Ricarda das Team in den letzten Sekunden der Pause zwischen den Sätzen nochmal richtig an. Man spürte, das jede bereit war alles zu geben. Egal ob auf dem Feld oder auf der Bank beim anfeuern. Nach dem Seitenwechsel hatte man nun das Publikum im Rücken. Dies gab dem ganzen nochmal eine besondere Atmosphäre. Es war ohnehin schon laut gewesen. Doch nun stand die siebte Frau direkt hinter dem Team auf dem Feld.
Im benachbarten Feld hatte Bommersheim Ihre Aufgabe bereits im Schnelldurchauf erwartungsgemäß erledigt und stand als erster Finalteilnehmer fest.
Satz 2 startete wieder ausgeglichen. Griesheim machte allerdings viel weniger Druck mit der sonst so starken Angabe. Es wurde mehr auf Sicherheit gespielt und das spielte Ober-Roden in die Karten. Wenn der Ball einmal im Spiel war und angenommen wurde konnte Ober-Roden immer gut mitspielen. Die Führung wechselte hin und her. Bei 12:13 gegen sich nahm Griesheim die erste Auszeit. Kurze Zeit später wechselte die Führung erneut und Ober-Roden hatte Auszeit bei 14:16 gegen sich. Mittlerweile war es so laut in der Halle, das man sein eigenes Wort kaum noch verstand. Die Zuschauer feierten Ober-Roden auch wenn grade Auszeit war, als hätten sie gepunktet. In der Auszeit musste geschrien werden, doch taktische Anweisung brauchte es in diesem Tollhaus sowieso nicht mehr. Es ging nur noch um Motivation und daran zu glauben das man den Spielstand wieder drehen kann. Jetzt oder nie! Das Spiel war von nun an geprägt von immer längeren Ballwechseln. Niemand wollte einen Fehler machen. Es wurde oft nur noch über das Netz gebaggert bis sich eine Mannschaft doch endlich den Mut hatte anzugreifen. Beim Stande von 18:18 gab es aus Sicht der Heimmannschaft endlich den ersehnten Führungswechsel zum 19:18. Es wurde nochmal lauter in der Halle und mit einer guten Angabenserie von Milena konnte sich auf 21:18 abgesetzt werden. Dies zwang Griesheim zu Ihrer letzten Auszeit. Doch auch die nächste Angabe fand ihr Ziel und Ober-Roden punktete weiter. Beim Stande von 24:19 hatte man fünf Matchbälle. Griesheim hatte Angabe, wehrte drei Matchbälle ab. Dann der entscheidende Punkt für Ober-Roden, der sprichwörtlich die Halle explodieren ließ. Die Freude war riesig. Silber war sicher. Die Mädels lagen sich in den Armen, feierten mit dem Publikum und dem Anhang. Der Tag hatte seinen dramaturgischen Höhepunkt erreicht.

Das Finale war eine klare Angelegenheit für Bommersheim. Sie spielten zwei Klassen besser als Ober-Roden und gewannen verdient mit 25:15 und 25:10. Die Mädels freuten sich aber trotzdem, schließlich wurde das kleine Ziel zweistellig erreicht. Gewonnen hatte man an diesem Tag sowieso schon genug.

Wer morgens erzählt hätte was an diesem Tag passiert, man hätte ihn ausgelacht. Doch der Sport schreibt seine eigenen Geschichten. Das Team hat alles gegeben und vor allem nie aufgegeben und immer an sich geglaubt. Das nötige Quäntchen Glück war auch auf unserer Seite und nicht zu vergessen der Faktor Publikum. Dank der unglaublichen Unterstützung von der Tribüne wurden nicht 100%, sondern 120% von jeder Spielerin gegeben. Selbst Spielerinnen die sonst beim Anfeuern eher zurückhaltend sind, haben sich die Seele aus dem Leib geschrien.

Ein Tag den Hollywood nicht besser hätte schreiben können.